Die 10 wichtigsten Tipps, um richtig gute Dialoge zu schreiben
Dialoge sind ein wesentlicher Bestandteil von Romanen. Doch eine direkte Rede in erzählenden Texten gibt nicht einfach wieder, wie Menschen miteinander kommunizieren. Dialoge sind eine eigene Kunstform. Einerseits sind sie nahe dran an der Kommunikation des Menschen. Treffen wir beim Schreiben nicht den richtigen Ton, klingen Dialoge gestelzt, unnatürlich, hölzern. Andererseits sind Romandialoge weit entfernt von der menschlichen Rede, sonst wären sie langweilig und nervtötend. Denn in Alltagsgesprächen wiederholen wir uns oft, wir bilden Sätze mit grammatikalischen Fehlern, fangen einen Satz mit der einen Sache an und beenden ihn mit einer anderen. Kurz: Die normale menschliche Kommunikation eignet sich nicht dafür, auf Papier gebannt zu werden.
Dialoge finden sich nicht in allen Romanen, es gibt auch Ausnahmen: Beispielsweise kommen „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann und „Der Pfau“ von Isabel Bogdan ganz ohne direkte Rede aus. Doch in den meisten Romanen tragen Dialoge dazu bei, eine Geschichte lebendig, unterhaltsam und spannend zu erzählen. Schon deshalb lohnt sich die intensive Beschäftigung mit den Redebeiträgen der Romanfiguren.
1. Dialoge dienen der Charakterisierung
Dialoge sind eine Form von Handlung. Im Sinne des „Show, don’t tell“ sollten Figuren nicht einfach beschrieben werden. Ihre Art zu handeln ist charakteristisch für jede Romanfigur und zeigt, worauf sie Wert legt oder worüber sie sich ärgert. Auch Redebeiträge können dazu dienen, eine Romanfigur anschaulich zu zeigen. Deshalb schreibe ich nicht:
Marlene war jähzornig.
Sondern besser:
Als David ihr das Buch aus der Hand riss, holte Marlene aus und landete einen satten Treffer auf der Nase des Dreijährigen. „Gehört mir“, schrie die Fünfjährige mit sich überschlagender Stimme, „mir, mir, mir!“
2. Jede Figur hat ihre eigene Sprache
Direkte Rede in einem Roman zeigt nicht nur, wie eine Figur handelt, sondern auch die Art, wie sie spricht und welche Worte sie findet. So wird eine Professorin für internationales Handelsrecht anders sprechen als eine Pflegekraft. Dialoge dienen auch auf diese Weise der Charakterisierung einer Figur. Nicht nur wie sie reagiert und was sie sagt, auch ihre individuelle Art des Sprechens kann einen hohen Wiedererkennungswert haben.
„Wurde mein Vater heute schon wie vertraglich zugesichert zweimal gedreht?“, fragte Iris Mehler und blieb mit gerunzelter Stirn im Türrahmen stehen.
„Ein Würstchen in der Pfanne würde ich drehen“, murmelte Toni und erwiderte dann mit betont lauter und heiterer Stimme: „Aber ja, ich habe Ihren Herrn Papa heute bereits zweimal umgelagert.“
3. Nutzen Sie Dialoge für die Exposition
Gerade zu Beginn eines Romans müssen wir die äußeren Umstände unserer Figuren beschreiben, auch Exposition genannt. Zur Exposition gehören alle Informationen, die unsere Leser*innen in die Geschichte einführen: welche Figuren gibt es, in welcher Situation befinden sie sich gerade, wo sind sie, welche Probleme haben sie und vieles mehr. Oft gibt es eine Vorgeschichte, wie es dazu kam, dass die Figuren gerade Probleme haben. Und natürlich darf ich als Autorin die Exposition nicht einfach so runterschreiben. Damit der Einstieg des Romans nicht mit Erklärungen überfrachtet wird und die Spannung erhalten bleibt, muss ich die Vorgeschichte und die aktuelle Situation meiner Figuren so ganz nebenbei erzählen: hier ein Satz, dort ein Satz.
Für die Exposition lassen sich wunderbar Dialoge nutzen. Da es zu Beginn eines Romans eine Menge mitzuteilen gibt, sind Dialoge eine Möglichkeit von vielen, wie sich Exposition unauffällig einbinden lässt. So ist es ein großer Unterschied, ob ich schreibe:
Mia ärgerte sich oft über ihren jüngeren Bruder, der das Leben leichter nahm als sie, und sich nie viele Gedanken über Geburtstagsgeschenke machte.
Oder ob ich schreibe:
„Du hast es dir mal wieder einfach gemacht und Mama zum Geburtstag einen Blumenstrauß geschickt, stimmt‘s?“
Jan grinste. „Und?“
Auf diese Weise lassen sich Vorgeschichten wunderbar als Munition verwenden, wenn sich Figuren im Streit alles Mögliche an den Kopf werfen. Der Konflikt lässt Leser*innen ganz vergessen, dass sie so ganz nebenbei mehr über die Figuren erfahren.
Dabei sollte man der Versuchung widerstehen, Dialoge zu schreiben, die ausschließlich der Information meiner Leser*innen dienen. Natürlich muss auch hier die Exposition organisch in die Geschichte eingearbeitet werden. Es sollte einen guten Grund geben, warum eine Figur etwas aus ihrer Vergangenheit erwähnt. So bleiben wir nahe genug dran an alltäglichen Gesprächen und den Leser*innen fällt nicht auf, dass Dialogzeilen so ganz nebenbei wichtige Informationen transportieren.
4. Verzichten Sie auf Smalltalk
In der zwischenmenschlichen Kommunikation spielt Smalltalk eine wichtige Rolle. Mit einem lockeren Gespräch über unwesentliche Dinge können wir leicht ersten Kontakt aufnehmen. Doch diese Funktion des Smalltalks ist im Roman nicht gefragt. Romanfiguren sollten nur aussprechen, was wesentlich ist für die Geschichte, für die Handlung, für die Beziehung zu anderen Figuren.
Wenn ich in einer Szene zeigen möchte, dass meine Figuren einen ersten, unverbindlichen Kontakt aufnehmen, packe ich das nicht in einen Redebeitrag. Das wäre zu langweilig. Ich erwähne es nur ganz nebenbei.
Elsa und Peter wechselten ein paar unverfängliche Sätze über das Wetter, bevor Elsa mit ihrem Anliegen herausrückte: „Kannst du mir eine Beretta 92 besorgen? Mit passender Munition?“
Smalltalk würde ich nur in direkte Rede setzen, wenn ich zeigen möchte, wie eine Figur auf den Smalltalk einer anderen Figur reagiert. Vielleicht antwortet die angesprochene Figur übertrieben freundlich oder sehr abweisend. In diesem Fall darf der Smalltalk ausnahmsweise im Dialog auftauchen, da er zur Charakterisierung meiner Figur dient.
5. Verzichten Sie auf höfliche Formeln
Ähnlich wie Smalltalk haben in der alltäglichen Kommunikation höfliche Formeln eine wichtige, zwischenmenschliche Funktion. Zu unserem Alltag gehören Begrüßungs- und Abschiedsformeln, Fragen nach der Gesundheit oder dem Wohlbefinden und vieles mehr. Doch genau wie Smalltalk sind solche Formeln im Roman überflüssig und langweilig.
„Guten Tag“, sagte sie.
„Guten Tag“, antwortete er.
„Wie geht es dir?“, fragte sie.
„Mir geht es gut“, antwortete er.
Wer will das lesen? Direkte Rede sollte immer den wichtigen Mitteilungen vorbehalten bleiben oder der Charakterisierung der Figuren dienen. Nur wenn ich in einem Roman zeigen möchte, dass ein Paar nach mehr als 50 Jahren Ehe immer noch höflich und freundlich miteinander umgeht, würde ich in einer kurzen Passage höfliche Formeln im Dialog mitnehmen, um die Beziehung der Figuren anschaulich zu schildern.
6. Vermeiden Sie Doppelungen
Informationen sollten niemals doppelt vorkommen, da auch in diesem Fall die Spannung auf der Strecke bleibt. Deshalb sollten Dinge, die aus der Beschreibung hervorgehen, nicht mehr im Dialog auftauchen.
Hildegard wandte sich um und starrte entgeistert auf das Messer. Seit einer halben Stunde suchte sie danach und nun lag es mit Blut beschmiert auf dem Küchentisch. „Wie kommt das Blut da drauf? Und warum liegt es hier auf dem Küchentisch?“, fragte sie entsetzt.
Temporeicher ist diese Version, da sie keine doppelten Informationen enthält:
Hildegard blickte sich suchend um und erstarrte. „Wie kommt das Messer auf den Küchentisch?“, fragte sie entsetzt, „und warum ist es voller Blut?“
7. Dialog treibt die Handlung voran
Dialoge treiben die Handlung voran, in dem sie die Interaktionen der Figuren zeigen. Selbst in temporeichen Szenen können Dialoge genutzt werden, um die Beschreibungen zu entlasten und mit direkter Rede abwechslungsreich zu gestalten.
„Das Schließfach“, zischte Paul und schlidderte bei dem Versuch umzukehren, über die nassen Fliesen.
„Zu spät“, rief Anna, „komm schon!“ Ohne auf ihn zu achten, rannte sie einfach weiter und sprang auf den fahrenden Zug.
8. Dialoge sollten nicht ausufern
Mit Dialogen ist es ähnlich wie mit alltäglichen Redebeiträgen: Spricht ein Mensch lang und viel, so ist das Risiko groß, dass er sein Gegenüber langweilt. In Romanen ist es nicht anders: Lange und ausführliche Redebeiträge bergen das Risiko, dass sie langweilen.
Beim ersten Entwurf einer Szene lasse ich meine Romanfiguren reden, wie es mir gerade in den Sinn kommt. So bleibe ich im Flow, schreibe aus dem Bauch heraus, nutze meine eigenen Emotionen, um die Gefühle der Figuren in Szene zu setzen.
Doch beim Überarbeiten nehme ich die Redebeiträge meiner Figuren kritisch unter die Lupe: Ist wirklich jede Dialogzeile sinnvoll? Tragen die Redebeiträge dazu bei, meine Figuren zu charakterisieren, die Handlung voranzutreiben oder wichtige Informationen zu liefern? Sind die Redebeiträge so kurz wie möglich? Oder sind die Figuren ins Plappern gekommen und haben unnützes Zeug geredet? Doppeln sich Beschreibungen und Dialoge?
Ich streiche überflüssige Worte, Sätze und auch ganze Dialogzeilen. In der direkten Rede sollten nur wesentliche Dinge stehen, die einen wichtigen Beitrag für die Geschichte leisten.
9. Figuren beherrschen Multitasking
Die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit ist groß. Sind wir im Gespräch mit anderen Menschen, so nehmen wir nicht nur wahr, was und wie mein Gegenüber spricht, gleichzeitig registrieren wir unendlich viele andere Dinge: was mein Gegenüber mit Händen und Füßen macht, was um uns herum geschieht, welche Geräusche in der Umgebung zu hören sind und vieles mehr.
Ein Dialog, der ausschließlich aus den Redebeiträgen meiner Figuren besteht, wirkt deshalb oft sehr reduziert. Werden nur ein paar Sätze gewechselt und enthalten diese Sätze wichtige Informationen, dann wäre das eine akzeptable Version. Doch meist sind Dialoge angereichert mit Dingen, die gleichzeitig geschehen und so dem Gespräch mehr Realitätsnähe verleihen.
„Heute schon?“, fragte Ella nervös und ließ ihre beiden Kinder nicht aus den Augen.
„Es geht nicht anders“, erwiderte Mechthild leise, zog den Becher zu sich her und löffelte Joghurt über ihr Müsli.
10. Redebegleitsätze: Auf den Mix kommt es an
Leser*innen brauchen Orientierung. Sie wollen nicht nur wissen, wo befindet sich die Figur gerade und wann findet das Ganze eigentlich statt, sie möchten auch wissen, wer gerade spricht. Dafür nutzen wir Redebegleitsätze, auch Inquit-Formeln genannt. Redebegleitsätze stellen klar, wer gerade spricht: „sagte sie, antwortete er“ und vieles mehr.
Beim Schreiben von Romanen ist sprachliche Vielfalt gefordert, wir brauchen immer neue Wörter, Redewendungen, Satzkonstruktionen, damit der Text nicht uninspiriert und langweilig rüberkommt. Einige der wenigen Dinge, die man wiederholen darf, sind Redebegleitsätze. So dürfen in einer Szene und selbst auf einer Buchseite Formulierungen häufiger vorkommen wie „sagte sie, erwiderte er, antwortete sie, bemerkte er“. Worte wie „sagen“ sind in Romanen unauffällig, sie unterlaufen den Radar der Leser*innen. Sie werden als Wiederholung kaum wahrgenommen und sorgen für Orientierung.
Auch bei den Redebegleitsätzen ist Variation gefragt, aber wenn die Figuren pausenlos „zischen, murmeln, stottern, flüstern, meckern“ – das nervt. Denn ein Wort wie „flüstern“ beschreibt nicht nur, wer etwas sagt, es beschreibt außerdem, wie etwas gesagt wird. Und diese zusätzliche Information ist fehl am Platze, wenn „flüstern“ nur dazu dient „sagen“ zu vermeiden. Natürlich sollte eine Figur auch mal „flüstern“ – aber nur, wenn es einen guten Grund dafür gibt. Und in einem Roman wird es vermutlich auf rund 300 Seiten nur eine oder zwei Szenen geben, in denen aus gutem Grund geflüstert wird.
Um für Orientierung zu sorgen, gibt es neben den Redebegleitsätzen viele andere Möglichkeiten, um klarzustellen, wer gesprochen hat. So steht üblicherweise der Redebeitrag einer Figur in einer Zeile, spricht eine andere Figur, so beginnt eine neue Zeile.
„Ist das dein Ernst?“, fragte Mildred.
„Absolut.“
Gibt es in dieser Szene nur zwei Figuren, so ist mit nur einem Redebegleitsatz geklärt, wer was gesagt hat.
Im folgenden Beispiel kann ich ganz auf Redebegleitsätze verzichten:
Mildred schob das Buch zur Seite. „Ist das dein Ernst?“
„Absolut.“
Da die Handlung der Figur („schob das Buch zur Seite“) und der Redebeitrag in einer Zeile stehen, ist es in der ersten Zeile Mildred, die spricht. Wäre sie es nicht, müsste die Dialogzeile in einer neuen Zeile stehen. Doch „Absolut“ steht in einer neuen Zeile, also muss die zweite Figur geantwortet haben.
Auf diese Weise kann ich verschiedene Arten mischen: Unterschiedliche Redebegleitsätze in Verbindung mit Handlung bieten viele Möglichkeiten der Variation und machen trotzdem immer deutlich, wer gerade gesprochen hat.
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Liebe Frau Huesmann, ich bin begeistert von Ihrer Arbeit! So reichhaltig, kompetent und anschaulich auf den Punkt gebracht – es macht total Spaß, Ihre Beiträge zu lesen! Super wertvoll! Herzlichen Dank!
Vielen Dank für die Tipps. Ich finde sie hilfreich, wie immer bei ihnen.
Freundliche Grüße
Reinhard
Eine der schwierigsten Aufgaben beim Schreiben. Danke für die Tipps.
Danke, Kurz und knapp genau die richtigen Anregungen
echt supertolle Empfehlungen. am Liebsten würde ich mich gleich an den PC setzen und nen Krimi schreiben..
VIelen Dank
Super Beitrag. Danke.