Wie man die richtigen Worte findet
Geschichten sind in den unterschiedlichsten Sprachstilen geschrieben. Literarisch anspruchsvolle Erzählungen finden sich ebenso darunter wie wortgewaltige Fantasy-Romane oder hartgesottene Thriller. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Damit sie gut sind, müssen sie genau erzählen.
Als Autorin muss ich mir jede Szene, die ich schreiben möchte, genau überlegen. Details sind ebenso gefragt wie der große Überblick. Um die Szenen in Worte zu fassen, sollte ich mir präzise Formulierungen einfallen lassen – je genauer, desto besser.
Die richtigen Worte finden
Konkret heißt das, die Wortwahl muss stimmen. In jeder einzelnen Szene, in jedem einzelnen Satz. Will ich beispielsweise schildern, wie meine Hauptfigur in einer Szene ein Auto entdeckt, könnte das so lauten:
Dort steht ein großes Auto.
Das ist ungenau. Sehr ungenau sogar. Denn weder erfahren meine LeserInnen, wo eigentlich „dort“ ist, noch, warum das Auto dort steht, noch, was für ein Auto es ist. Die Phantasie wird nicht angeregt, denn die Beschreibung bleibt blass, unklar, ungenau.
Am Waldrand parkt ein protziger VW Käfer.
Diese Beschreibung ist sehr viel genauer. Die Phantasie der LeserInnen wird angeregt und es kann vor ihrem inneren Auge ein Bild entstehen. Denn ich beschreibe, wo das Auto steht: am Waldrand. Außerdem wird klar, warum das Auto dort steht: es parkt. Auch die Marke ist genannt: ein VW Käfer. Und ich habe ein weiteres Detail hinzugefügt, das eine kleine Überraschung enthält: Der VW Käfer ist protzig. Da ein Käfer in aller Regel alles andere als protzig ist, wirft der Satz eine Frage auf: Wie kann es sein, dass ein VW Käfer protzig wirkt? Je nach meinen Neigungen und meinen Absichten als Autorin kann ich auf diese unausgesprochene Frage eine Antwort liefern oder eben nicht.
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Auf Überflüssiges verzichten
Zu einer genauen Beschreibung gehört auch, dass ich auf alles Überflüssige verzichte.
Am Waldrand parkt ein protziger Rolls-Royce.
Brauche ich in diesem Fall wirklich das Wort „protzig“? Ist ein Rolls-Royce nicht ohnehin protzig? Ich sollte das Wort streichen, wenn es der Szene kein weiteres Detail hinzufügt. Verfolge ich jedoch genau mit diesem Wort eine bestimmte Absicht, dann werde ich es stehen lassen.
Welche Worte überflüssig sind, das lässt sich oft nur im Einzelfall entscheiden, und persönliche Neigungen und der eigene Geschmack spielen dabei eine große Rolle.
Immer erst am Ende entscheiden
Auf diese Weise sollte man jede Szene und jeden Satz überprüfen. Ist der Satz genau genug? Habe ich die richtigen Worte gefunden? Enthält der Satz überflüssige Wörter? Doch das sollte man erst beim Überarbeiten machen. Prüft man bereits beim ersten Entwurf jedes Wort und jeden Satz kritisch, ist das Risiko groß, an einzelnen Sätzen und Worten hängen zu bleiben. Womöglich hangelt man sich nur mühsam von Satz zu Satz und von Wort zu Wort – dabei bleibt die Geschichte auf der Strecke. Ich komme nicht richtig ins Erzählen und manövriere mich im schlimmsten Fall direkt in eine Schreibblockade.
Deshalb sollte man beim ersten Entwurf möglichst wenig über die Sprache nachdenken. Am Anfang konzentriert man sich am besten auf den Inhalt. Die Sprache dient nur als Medium, die Geschichte festzuhalten. So fällt es leichter, ins Erzählen zu kommen. Steht der erste Entwurf, so habe ich einen Rohtext, an dem ich weiterarbeiten kann. Nun ist der Moment gekommen, jeden einzelnen Satz kritisch zu prüfen, ob er genau genug erzählt. Jedes Wort zu prüfen, ob es genau genug beschreibt. Einzelne Worte zu prüfen, ob sie überflüssig sind.
Die erste Fassung muss in aller Regel mehrfach überarbeitet werden. So wird der Rohtext allmählich besser, bis jedes Wort sitzt. Das ist harte Arbeit, aber es lohnt sich.
Sehr interessante Tipps, danke. Der Markt ist ja überschwemmt – können Sie gute Bücher empfehlen, die sich mit solchen technischen Aspekten des Schreibens befassen? Wie Dialoge, Ortsbeschreibungen, Subtext etc. gestaltet werden können? An Formulierungen selbst fehlt es mir nicht, doch sie optimal zu arrangieren um mit ihnen (atmosphärische/anderweitige) Wirkungen zu erzielen scheint mir die wahre Kunst zu sein. Bin dankbar für jede Empfehlung!
Der Rohtext ist die härteste Arbeit, das Heraushauen des Rohmaterials aus dem Steinbruch sozusagen. Der eigentliche Spaß beginnt beim Schnitzen und Schleifen und endet erst bei der letzten Politur. So geht es zumindest mir. ☺ Aber sicher ist das bei jeder und jedem anders.